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Artikel: Zermürbt vom Gefühl der Ohnmacht

18. September 2008 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung

Belästigung 44-Jährige leidet unter einem Fremden, der sie anruft und verfolgt

Von Stefanie Heckel |KemptenFreundlich lächeln die drei Frauen von der Postkarte aus dem Süden Thailands. Sanft wie Seide steht auf Englisch darunter. Doch der Inhalt der Postkarte hat es in sich: Der Text auf der Rückseite ist gespickt mit sexuellen Andeutungen. Unterschrieben ist die Karte nicht - sie und etliche andere landeten anonym in einem Kemptener Pflegeheim. Der Empfänger: eine dort arbeitende 44-Jährige. Seit Jahren, so berichtet sie, wird sie von einem Mann belästigt, den sie kaum kennt. Anonyme nächtliche Anrufe, Postkarten ("ich bin besorgt um deine Gesundheit! Ich möchte nicht, dass du einen Autounfall verursachst oder von der Rolltreppe fällst"), auf ihren Namen bestellte Sex-Kataloge und Internetabos mit eindeutigem Inhalt und abgeknickte Scheibenwischer - die Nachstellungen nehmen ihr zufolge kein Ende.

Der Mann, den die Frau für die Vorfälle verantwortlich macht, ist bei der Justiz kein Unbekannter. Wie die Staatsanwaltschaft bestätigte, gibt es zwei Urteile gegen ihn. Allerdings: Mit einer einstweiligen Verfügung scheiterte die 44-Jährige kürzlich vor dem Lindauer Amtsgericht. Sie hatte dem Mann jede Annäherung und Kontaktaufnahme verbieten lassen wollen. Eine Richterin urteilte jedoch, dass die Frau eine Bedrohung nicht ausreichend glaubhaft habe machen können.

Alles begann in einer Eisdiele

Rückblende: Es ist ein normaler Tag im Jahr 2004. Die heute 44-Jährige sitzt mit ihrer mittlerweile 19-jährigen Tochter und einer Bekannten in einer Eisdiele in der Innenstadt. Mitten in der Unterhaltung taucht der Fremde auf: "Meine Freundin kannte ihn vom Sehen - und so hat er sich dazugesetzt", erinnert sich die Frau.

Eigentlich, so fügt sie an, habe sie den Kerl gar nicht so sehr beachtet, "wir haben keine zehn Sätze gewechselt". Fatal: Der Fremde erfährt an diesem Tag die Namen der Frauen und man spricht kurz über den Arbeitsplatz. Einige Zeit darauf kommt es zu den Nachstellungen - betroffen sind letztlich alle drei Frauen. Etliche Male gehen sie zur Polizei - die Bekannte der 44-Jährigen erreicht eine Verurteilung wegen Beleidigung. Und 150 Tagessätze werden dem Mann später wegen falscher Verdächtigung und Beleidigung der Tochter aufgebrummt. Dennoch bleibt bei den Frauen das bedrückende Gefühl der Ohnmacht. "Wir bekamen so oft zu hören, dass viele Vorwürfe nicht zu beweisen seien", erzählt die Frau. Sie ist, so sagt sie, mittlerweile mit den Nerven am Ende. Und wenn der Kerl wieder einmal vor dem Haus steht, traut sie sich nicht mehr hinaus. Wie ein Schatten folge er ihr durchs Leben.

Was also kann sie gegen die Vorfälle unternehmen? "Sie sollte auf jeden Fall immer wieder die Polizei einschalten", erklärt Staatsanwalt Herbert Pollert. Es sei wichtig, dass so viel wie möglich über den Mann dokumentiert werde. Grundsätzlich nehme man Nachstellung sehr ernst. Beispielsweise würden sich in Kempten zwei spezielle Staatsanwältinnen um Stalking-Fälle kümmern, so Pollert.