Kaufbeuren: Wo der Chef auch Hausmeister ist

14. Januar 2009 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung
boxler

Podium - Kaufbeurer Kleinkunstbühne hat ihre Wurzeln in den politisch bewegten 1970er Jahren

Fern die Zeiten, 30 Jahre her und länger noch. Zeiten, in denen in studentischen Milieus die Überzeugung herrschte, Kultur sei ohne Politik nicht zu machen und zum Erreichen politischer Ziele solle man sich auch der Kultur bedienen. Die Theorie drang vor bis in die Provinz: In jenen Siebzigerjahren war es, dass selbst in Kaufbeuren die Jüngeren in der SPD begannen, einschlägig ausgerichtete Straßenfeste mit Liedermachern zu veranstalten. Bald mietete man sich in einem Gewölbe ein, flog dort wieder hinaus, eine kleine Demo vor dem Rathaus folgte, und schließlich überließ die Stadt den rebellischen Kulturveranstaltern eine halb verfallene Liegenschaft am Innenstadtrand.

Man muss diese Juso-Vergangenheit kennen, um zu verstehen, weshalb das Podium so ist, wie es ist. Nicht, dass in der Kaufbeurer Kleinkunstbühne so etwas wie linke Kultur gemacht würde. Aber eine Gegenkultur soll es schon sein, damals wie heute. Ging es in jenen Tagen nicht zuletzt gegen die als altväterlich empfundenen Theater- und Konzertprogramme, so grenzt man sich heute vor allem gegen die Klamauk-Comedy ab.

Peter Brosche ist der Mann hinter dem Podium, seit über einem Vierteljahrhundert. Der inzwischen 66-Jährige verkörpert die Brüche eines linken Selbstverständnisses mit eigener Konsequenz.

Ehemals Bundeswehr-Soldat, zugleich aber engagiert beim wehrkritischen "Darmstädter Signal"; langjähriges SPD-Mitglied, inzwischen jedoch ausgeschieden und statt dessen ambitionierter Parteigänger der Lafontaine-Linken - Peter Brosche ist eine Kämpfernatur, und das bekommt immer mal wieder auch die Stadtverwaltung zu spüren, wenn sie ein ihrer Ansicht nach vorschriftswidrig angebrachtes Podium-Plakat entfernt und sich dadurch den Zorn des Kleinkunstbühnen-Chefs zuzieht.

Etablierte und Newcomern

Wenn man Brosche fragt, ob sich linkes Bewusstsein heutzutage noch im Programm des Podiums niederschlägt, erhält man zur Antwort: Ja, beim Anspruch. Einen solchen zu verwirklichen, dabei aber auch immer die wirtschaftlichen Zahlen im Auge zu behalten, das ist für Brosche "eine Gratwanderung".

Der Kulturverein Podium erhält öffentliche Zuschüsse nur für das Haus, in dem die Veranstaltungen stattfinden, nicht aber für sein Programm.

So ist auch für Brosche die Zusammenstellung der Musik- und Kabarettveranstaltungen ein stets wohlabgewogenes Mischen von eingeführten Namen und Newcomern. Brosche weiß, das Publikum ist empfindlich, will Neues nur in homöopathischen Dosen goutieren. Und doch glaubt er, bei den Besuchern so viel Rückhalt zu verspüren, dass zwischendurch auch mal ein Experiment gewagt werden kann.

Brosche verweist gern auf die vielen ehrenamtlichen Arbeitsstunden, die von Vereinsmitgliedern für die Kleinkunstbühne geleistet werden. Das mit Abstand umfangreichste Konto dürfte er selbst haben, ist er doch gewissermaßen Mädchen für alles. Seitdem ihn die Bundeswehr vor über einem Jahrzehnt verabschiedete, geht er fünf Mal die Woche jeden Vormittag ins Podium.

Veranstaltungstermine koordinieren, Plakate entwerfen, Medien kontaktieren, die Bühnentechnik in Schuss halten. Aber auch um das Haus, eine ehemalige Käserei, kümmert er sich. Künstler witzeln, das Podium sei die einzige Bühne, bei welcher der Hausmeister auch die Ansagen fürs Publikum mache.

"Zuhause zu bleiben, das wäre nicht mein Ding, dazu bin ich zu quirlig", sagt er. Trotzdem hätte es der Kämpfer Brosche inzwischen gerne etwas ruhiger. Einen Nachfolger zu finden, gestaltet sich jedoch schwierig, gerade weil das Podium jemanden braucht, der nicht nur ein paar Telefonate mit Agenturen führen kann - "sondern jemanden, der auch mal aufs Dach steigen und die Rinnen saubermachen kann". Noch ist ein Podium-Faktotum, wie Peter Brosche es ist, nicht in Sicht.