Kempten: Wenn sogar Orthopäden ziemlich ratlos sind

12. Januar 2009 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung

Zirkusshow - Fulminantes "Afrika! Afrika!" - 7600 Zuschauer sehen am Wochenende in der Kemptener Big Box Allgäu drei erstklassige Vorstellungen voller tollkühner Artistik

Nach zwei Stunden tollkühner Artistik, treibenden Rhythmen und geballter Tanz- und Lebensfreude in der Big Box Allgäu bleibt dem Kritiker nur der Griff in die Kiste mit den Superlativen: sensationell und atemberaubend, was die Show "Afrika! Afrika!", vor vier Jahren initiiert von André Heller, zu bieten hat. Das Publikum strömte auch in Kempten zu diesem Zirkusknüller - in drei Vorstellungen klatschten 7600 Besucher mitunter frenetischen Beifall.

Das Erfolgsgeheimnis dieser Veranstaltung mit zwei Produktionen (es gibt eine Hallen- und eine Zelttour) ist im Grunde genommen simpel: Choreograf Georges Momboye verzichtet auf zu viele Vorschriften und Vorgaben, die womöglich wie Fesseln wirken könnten für die Darsteller, sondern lässt die Geschichte laufen wie einen Fluss. Der kommt nie ins Stocken.

Ganz im Gegenteil: Er mutiert zeitweise zu einem reißenden Strom, dessen Geschwindigkeit vor allem bestimmt wird von afrikanischer Musik und Rhythmen, die auch den letzten Zuschauer in der Halle animieren, den Körper zu bewegen. Oder die ihn, beim Blick auf die Bühne, einfach nur staunen lassen.

Wie Schlangen und Spinnen

Gelegenheiten dazu gibt es am laufenden Band. Da lassen Frauen (wie Schlangen) und Männer (wie Spinnen) vergessen, dass der Mensch eigentlich mit einer Wirbelsäule ausgestattet ist, mit Gelenken und unterschiedlichen Körperteilen. Und die Orthopäden im Publikum legen schon nach wenigen Minuten die Stirn in Falten und fragen sich sorgenvoll: "Kann das gesund sein?" Es ragen plötzlich menschliche Pyramiden in die Höhe, die erst kurz unterm Hallendach ihr Ende finden.

Rasanz und Leichtigkeit

Mit welcher Rasanz und Leichtigkeit die afrikanischen Künstler an die Arbeit gehen, ist wohl mit diesen beiden Worten am treffendsten beschrieben: einfach genial.

Jongleure bringen den Betrachter ins Grübeln: "Wissen wir wirklich alles über die Schwerkraft auf der Erde?" Und Breakdancer oder Einrad fahrende Basketballer machen deutlich: Der menschliche Körper kann viel mehr als nur laufen, sitzen, stehen.

Es ist ein afrikanisches Spektakel, das André Hellers Projekt bietet. Mit Menschen, die selbst bei dieser professionellen Show mit all ihren kommerziellen Spielchen hinter den Kulissen enorme Natürlichkeit und Lebensfreude vermitteln. Die auf der Bühne nicht viele Hilfsmittel benötigen, weil sie ihr wertvollstes Utensil stets bei sich führen - den eigenen Körper.

Dank André Heller

Bewegung, Rhythmus, Tempo: drei dominierende Begriffe in der Welt Afrikas. Die haben es André Heller 1972 angetan, als er zum ersten Mal artistische Vorführungen im Rahmen eines privaten Fests am Rande der Sahara sah. Nur gut, dass er Jahre später den Entschluss fasste, diese afrikanischen Künstler in einer magischen Zirkusshow zu vereinen und auf Tournee nach Europa zu schicken.