Kaufbeuren | Von Marcus Golling: (Weih)rauchalarm im Rathaus

3. Januar 2009 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung

Brauchtum - Oberbürgermeister empfängt Sternsinger aus dem ganzen Stadtgebiet

Im Vorzimmer des Oberbürgermeisters hatte man es schon geahnt. Dann ist es so weit: Ein minutenlanges Heulen und Zwitschern setzt ein, als die Sternsinger ins Kaufbeurer Rathaus kommen. Die neuen Feuermelder vertragen sich nicht mit den dichten Weihrauchschwaden, die durch die Gänge wallen. Sieben Gruppen aus den katholischen Pfarreien des Stadt sind gekommen, um auch dem Sitz des OB Gottes Segen zukommen zu lassen. Über 100 Sternsinger sind seit gestern in Kaufbeuren unterwegs, meist schmuckvoll-orientalisch kostümiert, und besuchen alle Häuser, um dort ihren Segensspruch zu hinterlassen (siehe Infokasten).

Am Weihrauch wird wahrlich nicht gespart, Gold und Myrrhe haben die Nachfolger der Heiligen Drei Könige aber zuhause gelassen. Für OB Stefan Bosse ist der morgendliche Sternsinger-Empfang in seinem Büro ein angenehmer Auftakt für das Jahr. Kein Wunder: Schließlich hat Bosse am gleichen Tag Geburtstag wie das Christkind, das sich über den Auftritt der Weisen aus dem Morgenland einst auch gefreut hat. Und als der Alarm verstummt ist, singen die rund 50 Kinder und Jugendlichen ihre Lieder, "Wir wünschen euch ein fröhliches Jahr", "Wir kommen daher aus dem Morgenland" und ein fröhliches "Gloria", das auch den OB inspiriert. "Natürlich brauchen alle Häuser der Stadt Gottes Segen", sagt Bosse, bevor er den "Schatzmeistern" der einzelnen Gruppen je 20 Euro in die Kasse legt.

Heutzutage holen die drei Weisen die Geschenke ab, anstatt sie zu bringen.

Immer noch von Weihrauch umhüllt, ziehen die Kinder und Jugendlichen in den alten Sitzungssaal, wo sonst die Ausschüsse tagen. Über zwei Millionen fürs Hallenbad werde hier bald entschieden, erzählt Bosse. Dann gebe es endlich die neue Rutsche. Statt wie sonst zu den Stadträten spricht er an diesem Tag zu zehn gekrönten Häuptern, neun Sternträgern und vier schwarz geschminkten Melchioren. Einer davon, oder besser eine, Pia Spielvogel von der Pfarrei St. Ulrich, schreibt die segensreichen Buchstaben an den Türstock der Tür, die so hoch ist, dass sie sich dafür auf einen Tisch stellen muss. Unter dem Ministrantengewand lugt ein Paar schwarze Turnschuhe hervor.

Bequeme Schuhe sind wichtig für die Sternsinger, denn die Fußmärsche sind lang bis zum Dreikönigstag. Pia, mit 14 Jahren und der Erfahrung von drei Sternsinger-Jahrgängen fast schon ein alter Hase, macht es dennoch wieder Spaß. "Weil man Kindern helfen kann", erklärt sie. Auch Miriam Sesin (elf Jahre) von St. Martin mag die drei Tage auf der Straße. "Wir machen den Leuten mit unseren Liedern eine Freude", erklärt sie. Und es lohnt sich: Im vergangenen Jahr haben allein die St.-Martin-Sternsinger 5800 Euro eingesammelt. Eine Schattenseite hat der Dreikönigszug aber doch. "Die Kälte ist nicht so toll", sagt Pia. Kaufbeuren ist halt nicht Bethlehem.