Die zehn Zentimeter Papier können Leben retten - doch immer weniger Menschen besitzen ihn: den Organspendeausweis. Seit einiger Zeit, so beklagen Experten, geht die Zahl der Organspenden zurück. Jeden Tag müssen drei Menschen in Deutschland sterben, weil es nicht genügend Spenderorgane gibt. Was aber geschieht, wenn in Kempten ein Mensch stirbt, der sich zur Organspende bereit erklärt hat? Wie können seine Organe einem Kranken helfen? Darüber sprachen wir mit Dr. Christian Schaal, Oberarzt am Klinikum Kempten-Oberallgäu für Anästhesie- und Intensivmedizin und Beauftragter für Organspenden.
Etwa ein bis zwei Mal im Jahr kommt es vor, dass die Organe von verstorbenen Kemptener Patienten gespendet werden sollen. "Unsere Aufgabe am Klinikum ist es dann, Kontakt zur Deutschen Stiftung Organtransplantation in München aufzunehmen", erklärt Schaal. Die Organisation koordiniert die Organspenden. Sie sorgt dafür, dass die Patienten auf den Wartelisten schnellstmöglich eine Transplantation bekommen, sie arbeitet mit den Krankenhäusern zusammen und berät Angehörige.
Sechs Zentren in Bayern
Gibt es in Kempten einen verstorbenen Organspender, kommen Experten der Stiftung ans Klinikum. Die Organe entnehmen die Münchner aber nicht - dafür sind Experten der Klinik zuständig. Transplantationen werden in Bayern in einem halben Dutzend Zentren vorgenommen - etwa in Augsburg und München.
Doch das Thema Organspende hat nicht nur eine medizinische Seite. Wird bei einem Patienten der Hirntod festgestellt, muss zunächst herausgefunden werden, ob dieser seine Organe spenden wollte. Besonders schwierig ist das, wenn es keinen Organspendeausweis oder eine andere schriftliche Erklärung gibt. "Das ist dann Detektivarbeit", erklärt Oberarzt Dr. Schaal.
Gemeinsam mit den Angehörigen versuche man, den Willen des Patienten herauszufinden. Dabei gelte: Vorgegangen wird immer im Dialog mit den Angehörigen und mit viel Fingerspitzengefühl. Denn es gibt auch Fälle, in denen sich der Verstorbene selbst für die Organspende ausgesprochen hat, die Angehörigen aber dagegen sind. Schaal: "Die Ärzte werden dann zwar auf diesen Willen hinweisen - aber es werden nicht mit Gewalt Organe entfernt."
Dennoch: Im Interesse der vielen Todkranken würde sich der Oberarzt noch mehr Menschen wünschen, die sich zur Organspende bereit erklären.