Schulbusbegleiter Schüler schreiten im Bus ein und stellen sich auf die Seite der Opfer - Jetzt auch in Sonthofen - Einsatz im Zug soll folgen">

Artikel: Störer werden wie Luft behandelt

11. November 2008 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung

Schulbusbegleiter Schüler schreiten im Bus ein und stellen sich auf die Seite der Opfer - Jetzt auch in Sonthofen - Einsatz im Zug soll folgen

Von Julia Haug und Sibylle mettler |ImmenstadtRund 50 Kinder geballt auf 15 Metern Länge, da sind Keilereien fast schon programmiert. So auch bis vor einem Jahr jeden Morgen und Mittag in den Schulbussen im südlichen Oberallgäu. Seitdem gibt es Schulwegbegleiter. Schüler, die im Bus Streits vermeiden und für mehr Sicherheit beim Einsteigen sorgen. Dieses Konzept wird nach Immenstadt und Oberstdorf jetzt auch in Sonthofen umgesetzt.

Die Freiwilligen hätten im vergangenen Jahr Sozialkompetenz, Engagement und Mut gezeigt, in der Gesellschaft für etwas einzustehen, sagt Karin Hausmann. Sie ist Sprecherin des Eltern Forums Allgäu, das das Programm organisiert.

Dabei stehen die Jugendlichen oft vor einer Herkulesaufgabe. Sich gegenüber Älteren oder auf den ersten Blick Stärkeren zu behaupten, falle vielen schwer, sagt Hausmann. Deshalb vermittelt ihnen ein vorgeschaltetes Seminar eine ungewöhnliche Taktik: Anders als das polizeiliche Vorgehen während einer Schlägerei sollen die Schulbusbegleiter die Anstifter wie Luft behandeln und sich stattdessen nur um die Opfer kümmern. Und das funktioniere, sagt Hausmann. Wobei sie sich wünscht, dass die Begleiter noch etwas "aktiver werden und mehr Präsenz zeigen".

Die Schulen und Kommunen würdigen den Einsatz der Schüler: Neben einer Urkunde über die Teilnahme an der Schulung erhalten die Busbegleiter einen lobenden Zeugnisvermerk oder wie in Sonthofen ein Extrablatt über ihr Engagement. Soziales Engagement sei aus Erfahrung bei Bewerbungen sogar mehr wert als Zensuren, erklärt Hausmann.

Freizeitpark als Belohnung

Für besonders gute Leistungen, die dem Busfahrer aufgefallen sind, gibt es noch etwas obendrauf: Die Begleiter erhalten einen Gutschein für einen Freizeitpark in Rust. Das kündigte Immenstadts Schulreferent Rainer Hoffmann an. Er hält das Programm für eine "hervorragende Sache". Der Elternbeirat am Gymnasium hat selbst einen Sohn, der Busbegleiter ist.

Während dessen Linie Diepolz-Immenstadt aber verhältnismäßig beschaulich verläuft, brauchen manche seiner Kollegen Unterstützung: Auf den meisten Strecken seien die Busbegleiter zu zweit, um die Geschehnisse im ganzen Innenraum wahrzunehmen, sagt Karin Hausmann. In überfüllten Bussen wie zum Beispiel aus Richtung Wertach seien sogar drei nötig.

Mit Immenstadt, Oberstdorf und zuletzt Sonthofen erreicht das Schulbusbegleiter-Programm nun das gesamte Einzugsgebiet der Realschulen und Gymnasien im südlichen Oberallgäu bis Martinszell. Nördlich davon sei hingegen die Verkehrswacht Kempten sehr engagiert, die sich auch um den Hauptknotenpunkt Kempten kümmere, sagt Hausmann. "Wir haben ihr unser Programm vorgestellt und Unterstützung angeboten."

Handlungsbedarf gibt es auch im Zugverkehr. Im Juli dieses Jahres ist ein Elfjähriger in Immenstadt zwischen Zug und Bahnsteig geraten (wir berichteten). Nach diesem Zwischenfall hat Rainer Hoffmann einen Informationskurs für Schüler von Gymnasium und Realschulen in Immenstadt organisiert.

Am Gymnasium waren zwei Beamte vom Bundespolizeirevier Weilheim mit ihrem Vortrag schon im Einsatz. Wie die Schule mitteilt, zeigten sie unter anderem einen verdeckt aufgenommenen Film vom Immenstädter Bahnhof: In ihm sind Jugendliche zu sehen, die vor Einfahrt des Zuges die durchgezogene weiße Sicherheitsmarkierung überschreiten und sich weit in den Gleisbereich vorbeugen.

Und Schüler, die bei Einfahrt des Zuges schubsen und drängeln oder sogar die Tür des fahrenden Zuges von außen öffnen und mit der Klinke in der Hand ein Stück weit mitlaufen. Die Initiatoren hoffen, dass sich die Schüler nach den Vorträgen der Polizisten nun vorsichtiger verhalten.

Ziel ist es aber, so Hofmann, dass das Konzept der Schulwegbegleiter auch auf die Bahn ausgedehnt wird. "Wir werden da zusammen mit dem Elternforum Allgäu am Ball bleiben", verspricht der Schulreferent.