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Rollendes Klassenzimmer mit Artistenkindern

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Rollendes Klassenzimmer mit Artistenkindern

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    Von Sylvia Rustler|Kempten/AllgäuTony Alexis sitzt im Unterricht und macht Faxen. Die Lehrerin versucht Ruhe zu stiften, geht durch die Bänke und sammelt einen Test ein. Das Besondere: Wenn Tony aus dem Fenster schaut, blickt er auf Circus-Wagen, Tiere und Artisten. Und wenn die Schule aus ist, setzt er sich eine rote Nase auf und tritt als Clown auf.

    Wir befinden uns in einem Klassenzimmer auf Rädern. Die angeblich kleinste Schule der Welt ist in einem alten Lkw untergebracht. Sie gehört zum Circus Krone, der seit gestern Vorstellungen in Kempten gibt und danach in weiteren Allgäuer Orten gastiert. Wie in ganz Bayern gibt es auch für die Cirkuskinder nächste Woche Zeugnisse. Hauptschullehrerin Susanne Berger unterrichtet nach dem bayerischen Lehrplan und die Schüler haben ganz normal von 8 bis 12.10 Uhr Unterricht. Laut Krone-Pressereferentin Dr. Susanne Matzenau ist die Schule staatlich anerkannt, wird aber vom Circus selbst finanziert. 'Die Leute denken immer, die Kinder hüpfen rum und sind als Clowns geschminkt. Aber das ist eine ganz normale Schule.'

    Im umgebauten Lkw werden sieben Schüler unterrichtet. Zum Teil stehen sie selbst in der Manage, zum Teil sind nur ihre Eltern beim Circus beschäftigt und die Kinder reisen mit. Die Eltern von Andrej Glebov zum Beispiel sind Trapez-Künstler. Andrej ist Russe, Tony Spanier. Daneben sitzen in der Cirkusschule zwei Bulgarinnen, ein weiterer russischer Bub, eine Rumänin und ein deutsches Kind. Alle Schüler sind zwischen neun und 16 Jahre alt.

    Dieser Mix macht das Ganze kompliziert. Denn das bedeutet Unterricht für die erste, dritte, vierte, achte und neunte Klasse gleichzeitig - wie früher in einer Dorfschule. Zudem muss Berger berücksichtigen, dass einige nicht gut deutsch sprechen oder Wissenslücken haben.

    Im Winter besuchen die Schüler nämlich eine andere oder gar keine Schule. Die 'Lastwagenpaukerin' unterrichtet nur, wenn der Circus auf Tournee ist. Das ist von April bis November. In der übrigen Zeit besucht der deutsche Junge eine Münchener Schule und Berger kann sich damit abstimmen. Bei den anderen ist das nicht möglich.

    Tony zum Beispiel geht im Winter in dem Land zur Schule, in dem seine Eltern - ebenfalls Clowns - ein Engagement haben. Ihn stört das nicht: 'Ich spreche fünf Sprachen. Immer am gleichen Ort, das ist doch langweilig.' Und auch die Lehrerin schwärmt: 'Das Reisen ist toll. Man lernt so viele Städte kennen. Und das bei der Arbeit.' Dann wird es unruhig. Tony spielt am Handy rum, die Lehrerin schimpft und aus dem Fenstern fliegen kleine Kügelchen auf Passanten. Wie in einer ganz normalen Schule eben.

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