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Petrus lässt sich nicht dreinschwätzen

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Petrus lässt sich nicht dreinschwätzen

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    Von Freddy Schissler Vorderreute Es gibt Momente im Leben, die vergisst man nicht. Auch nicht nach vielen Jahren. Damals, im Winter der Jahre 1962/63, schnürte sich Martin Aichele zu Hause in Vorderreute bei Oberstaufen die Schuhe, schlüpfte in eine dicke Jacke und machte sich auf den Weg Richtung Bodensee. Er sputete sich, denn was er zuvor nur gehört hatte, wollte er mit eigenen Augen sehen: den komplett zugefrorenen Bodensee. Ein Jahrhundert-Ereignis. Beinahe jedenfalls, denn Martin Aichele glaubt: 'Der friert alle 80 Jahre zu.' Was der 64-Jährige ebenfalls vermutet und was den verbissen geführten Diskussionen um eine mögliche Klimaveränderung etwas den Wind aus den Segeln nehmen würde: 'Wir werden auch wieder einen anderen Winter mit mehr Schnee bekommen. So extrem war dieser Winter übrigens nicht.'

    Martin Aichele ist eine Art Hobby-Meteorologe. Wobei er diese Bezeichnung gar nicht mag. 'Ich beobachte ganz einfach das Wetter und schreibe alle Daten auf. Das macht mir viel Spaß.' Seit vielen Jahren notiert er Schneehöhen, Temperaturen oder Niederschlagsmengen. Ebensolange fällt ihm auch auf: 'Die Leute jammern doch immer. Einmal, weil zu viel Schnee liegt. Das andere Mal, weil es zu wenig davon gibt.' Sein Fazit: Keinem könne man es wirklich recht machen, was einen Herrn namens Petrus allerdings herzlich egal sei. 'Der lässt sich sowieso nicht dreinschwätzen.'

    Markante Ereignisse

    Für unsere Zeitung hat sich Martin Aichele dieser Tage mal wieder in seine Unterlagen (die nicht nur er aufzeichnete) vertieft und einige markante Ereignisse herausgezogen:

    1932: Ein Jahr, an dem der Schnee schon früh verschwand. Das Gras, liest Aichele vor, sei am 19. März bereits so hoch gestanden, dass die Bauern sogar das Vieh auf die Felder treiben konnten.

    1962/63: Die Kälte in diesem Winter war enorm. Die knackigen Temperaturen führten dazu, dass der Bodensee mit einer dicken Eisschicht überzogen wurde. Mit den Autos fuhren die Leute damals über den See, Flugzeuge landeten und die Leute spazierten auf direktem Weg von Lindau nach Bregenz. 'Das war der Wahnsinn', schüttelt der Allgäuer heute noch ungläubig den Kopf. 'Und ich habe es mit eigenen Augen gesehen.'

    1968/71: Extrem harte Winter seien das gewesen, sagt Aichele und belegt diese These mit einer Menge an Zahlen. Zum Beispiel dieser: Am 1. Mai 1970 musste der Schneepflug gestartet werden und Straßen und Wege von der weißen Pracht befreien - es lagen 60 Zentimeter Altschnee im West- und Oberallgäu. Der Hobbyforscher aus Vorderreute muss schmunzeln, wenn er auf diese Aufzeichnungen blickt. 'Damals', erinnert er sich, 'vermuteten einige Experten, dass wir einer nächsten Eiszeit entgegengehen.'

    1996/97: Die prognostizierte nächste Eiszeit machte sich in diesem Winter so bemerkbar: Gerade mal mit einer Gesamt-Schneehöhe von 80 Zentimeter in den Monaten Dezember, Januar, Februar, gemessen vor dem Haus von Aichele in Vorderreute. Das befindet sich in 800 Meter Höhe.

    1998/99: Wieder ein extremer Winter - diesmal allerdings in anderer Richtung. 10,10 Meter Schneehöhe sind in Aicheles Unterlagen notiert. Und die Menschen stöhnten angesichts der unüberschaubaren Schneemassen

    2003: Die Temperaturen stürzten im Winter in den Keller. Allerdings: Die Monate Juni, Juli und August sorgten dafür, dass man von einem Jahrhundert-Sommer spricht.

    2006: Auch im letzten Jahr notierte Martin Aichele einen extremen Wert: Der Juli hatte einen Durchschnittswert von 29,8 Grad Celsius. 'So heiß war es zuvor noch nie, seit ich Buch führe', betont der 64-Jährige.

    2007: Für unseren Gesprächspartner ist dieser Winter kein extrem milder oder schneearmer. Immerhin gewann er unlängst eine Wette mit einem Bekannten. Der hatte angenommen, dass die Gesamt-Schneehöhe unter einem Meter bleiben würde. Tat sie aber nicht - zur Freude von Martin Aichele: Der notierte bislang eine Höhe von 1,23 Meter.

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