Kaufbeuren: Offenherzig und amüsant

23. Januar 2009 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung
mathias wild

Neujahrsempfang - Toni Schumacher spricht bei der SpVgg Kaufbeuren

Eine Zahnbürste, eine Zahnpasta, eine Haarbürste. Das war die abendliche Gage für den zweifachen Vizeweltmeister, Europameister und Deutschlands zweifachen Fußballer des Jahres. Der da beim Neujahrsempfang der SpVgg Kaufbeuren sprach, ist kein Abzocker, Blender oder Schaumschläger. Harald Schumacher, den alle Welt Toni nennt und der auch nur auf diesen Vornamen hört, hat das Herz auf dem rechten Fleck. Da waren sich alle geladenen Gäste am Mittwochabend im Hotel "Am Kamin" einig. Rund zwei Stunden begeisterte der frühere Nationaltorhüter mit offenherzigen und amüsanten Plaudereien aus der Fußballwelt und natürlich seiner Karriere.

"Ehrlich sein, fleißig sein, niemals aufgeben und immer versuchen, der Beste zu sein": Diese von seinen Eltern mitgegebene Lebensmaxime kommt in schöner Regelmäßigkeit in Schumachers Ausführungen vor. Die Ehrlichkeit war es aber auch, die 1987 einen abrupten Karriereknick für den Torhüter bedeutete. Die Enthüllungen in seinem Buch Anpfiff - 1,5 Millionen Mal verkauft und in 16 Sprachen übersetzt - missfielen so vielen Größen der Fußballszene, dass Schumacher nach 16 Jahren bei seinem geliebten 1. FC Köln und der Nationalmannschaft herausflog. "Ich hätte nicht in Erwägung gezogen, dass man für die Wahrheit bestraft wird." Aber heute hat er seinen Frieden damit gemacht. "Alles war richtig. Man kann im Leben nur einen Weg gehen", so Schumacher.

Den Fußball heute verfolgt der Geschäftsführer einer Kölner Sportmarketingagentur weiter mit großem Interesse, wenn auch nicht immer mit Begeisterung. Vor allem das moderne Söldnertum stößt im sauer auf. Er, der zu seiner besten Zeit 600000 DM brutto verdiente, kritisiert vor allem die fehlende Leidenschaft der Jungstars und wenig ausgeprägte Vereinstreue. "Mich mussten sie damals schon rausschmeißen, damit ich gehe." Er habe sich für jeden Verein zerrissen. Ein Umstand, den ihm die Fußballfans heute noch anrechneten. "Ich gehöre zu den wenigen früheren Fußballern, die man auf der Straße noch kennt", sagt der 54-Jährige.

So plauderte Schumacher und beantwortete die vielen Fragen aus dem Publikum. Dass man sich dabei duzte - bei einem wie ihm selbstverständlich. Sein Zusammenprall im WM-Halbfinale 1986 mit dem Franzosen Patrick Battiston, sein Halbzeit-Raussschmiss als Trainer von Fortuna Köln durch Präsident Jean Löring, Trinkgelage mit Trainer Hennes Weisweiler oder Anekdoten aus dem Nationalmannschafts-Trainingslager: Es gab kein Thema, das Schumacher geblockt oder nicht offen beantwortet hätte.

Kein Wunder, dass die Gäste ausnahmslos den Ehrengast mit Ovationen im Stehen verabschiedeten - ein Novum beim zehnten Neujahrsempfang. "Das meine ich, das fehlt mir", sagte Schumacher lächelnd.