Von Reinhold Löchle |Marktoberdorf/OstallgäuFür die Füssener ist es Alltag, für die Marktoberdorfer dagegen ein ungewohntes Bild: Derzeit herrscht zweimal pro Stunde auf dem Kreisstadt-Bahnhof für einige Minuten internationale Atmosphäre. Japaner, Chinesen, Amerikaner, Kanadier, Italiener und natürlich auch deutsche Reisende wuseln umher - alle auf der Suche nach dem richtigen Bus. Manche ziehen einen Koffer hinter sich her, die meisten haben eine Kamera umhängen. Einige springen noch schnell in die Bäckerei oder in den Kiosk im Bahnhof, um sich mit Marschverpflegung auszurüsten. Und alle scheinen nur ein Ziel zu haben: Neuschwanstein.
Normalerweise fallen diese Touristenschwärme in Marktoberdorf überhaupt nicht auf, weil sie, meist aus Richtung München kommend, mit der Eisenbahn mehr oder weniger in der Direttissima zu den Gemächern von König Ludwig II. eilen. Doch seit Kurzem heißt es in Marktoberdorf: "Bitte alles aussteigen, der Zug endet hier". Denn zwischen Leuterschach und Lengenwang werden die Gleise repariert. Die Deutsche Bahn lässt aber ihre Kunden nicht kurz vor dem Ziel im Stich. Bis zum Ende der Gleisarbeiten am 15. September ist ein Schienenersatzverkehr eingerichtet, worunter sich aber wohl die wenigsten ausländischen Fahrgäste etwas vorstellen können. Doch hilfreiche Mitarbeiter von Bahn und Busfirmen erklären, wenn nötig mit Händen und Füßen, wies weitergeht.
Bei gutem Wetter 5000 Reisende
Wie viele Menschen täglich am Bahnhof vom Zug in den Bus oder umgekehrt wechseln, darüber gehen die Schätzungen weit auseinander: Anton Knapp, Bahn-Pressesprecher in München, rechnet mit 1400 bis 2000 Personen. Der Marktoberdorfer Fahrdienstleiter Martin Dopfer dagegen geht - bei Ausflugswetter - von fast 5000 Reisenden aus.
Pro Zugankunft - 17 sind es täglich aus Richtung München - steuern drei Busse Füssen direkt an, erklärt ein Mitarbeiter von Regionalverkehr Augsburg. Ein weiterer Bus nimmt die Route, die normalerweise auch der Zug nimmt, also über Lengenwang, Seeg und Hopferau.

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Da aber zwischen Lengenwang und Seeg momentan die Straße gesperrt ist, "gehts über die ganzen Dörfer", erzählt Fahrer Karl-Heinz Ganser und macht dabei einen eher unglücklichen Eindruck, denn auf den schmalen Straßen tut man sich mit dem Omnibus schwer.
Insgesamt ersetzen neun Busse zwischen 5.10 Uhr und 23.26 Uhr den Schienenverkehr, bei großem Andrang sind es noch drei mehr. Der Aufwand sei nicht übertrieben, betont Fahrdienstleiter Dopfer. Die Kunden scheinen es jedenfalls zu honorieren. Jedenfalls gebe es wegen der Umsteigerei ganz wenig Proteste, ist allgemein zu hören. Das bestätigt auch Karl-Heinz Ganser. Wenn ein Deutscher mal nicht mitkomme, weil ein Bus voll sei, könne der schon verärgert sein. Japaner und Chinesen nähmen dagegen solche Situationen gelassen. "Die Asiaten", so beobachtete Ganser, "sind da fantastisch".