Wenn ein ausländisches Stadtoberhaupt - wie in dieser Woche - vor dem Kaufbeurer Stadtrat spricht, wirkt das fast ein bisschen staatstragend. Unwillkürlich fällt einem da zum Beispiel die Ansprache Angela Merkels vor der israelischen Knesset ein. Nachdem s Oberbürgermeister Stefan Bosse vor einiger Zeit im Gablonzer Stadtrat sprechen durfte, kam der Gablonzer OB Petr Tulpa nun zum Gegenbesuch in den Kaufbeurer Stadtrat, um seine Kommune zu präsentieren. Anders als Bosse, der an der Neiße Englisch gesprochen hatte, ließ sich Tulpa von der Dolmetscherin Katerina Hujerova unterstützen - weil eine Ansprache auf Englisch oder Deutsch wohl "einfach zu lang dauern würde", wie er freundlich meinte.
Ein leichtes Raunen im Saal
Die Übersetzerin gab denn auch eine bunte Präsentation von Gablonz unter anderem als Sportstadt samt dem schönen Isergebirge zum Besten. Kaufbeurer Stadträte stellten eifrig Fragen nach möglichen Kooperationen zwischen den beiden Städten, bis Walter Nocker (CSU) wissen wollte, wie denn Tulpa persönlich zum Thema Vertreibung stehe. Eine Sekunde lang gab es Schweigen, dann ein leichtes Raunen im Saal und zum Teil bei manchen Anwesenden etwas betretene Gesichter.
"Das ist sicher die schwerste aller Fragen", antwortete Tulpa ohne Umschweife. Er habe aber in dieser Sache die gleiche Meinung wie OB Bosse. "Es geschahen böse Dinge auf beiden Seiten", so Tulpa. Er habe viel über die Vertreibung gelesen, die aus seiner Sicht nicht recht gewesen sei.
Das sei seine persönliche Meinung. Aber die Taten der Deutschen im Zweiten Weltkrieg seien auch nicht recht gewesen. "Ich glaube, dass Sie alle letztlich eine ähnliche Ansicht haben. Und deshalb bin ich hier", so Tulpa, was der Stadtrat mit lautem Applaus quittierte. Eine zweite Antwort gab Tulpa dann nicht als Privatmann, sondern als Politiker. "Wir wollen die Zusammenarbeit." Nicht die Vergangenheit sei jetzt im Mittelpunkt, sondern "die Zukunft ist uns wichtig". Auch dies beantwortete das Plenum mit lautem Applaus.

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Auf die Frage von Christian Sobl (CSU), was er sich persönlich von Kaufbeuren wünsche, meinte Tulpa unter anderem: "Ich würde hoffen, dass 2009 bei geplanten Workshops unsere gegenseitigen Beziehungen vielleicht in einem Partnerschaftsvertrag enden könnten. Aber nicht um jeden Preis." Geduld sei möglicherweise nötig. Ein weiteres Mal klatschten die Räte in die Hände.
Bosse dankte seinem Amtskollegen und verwies auf die Weihnachtsfeier, die - mit Tulpa - direkt nach der Sitzung stattfand. "Das ist dann Teil 1 der Workshops."