Kempten | li | Dass sich der Kemptener Andor Ákos 1940 in Wien selbst richtete, und damit das erste jüdische NS-Opfer aus Kempten war, ist bereits bekannt. Jetzt hat der Historiker Dr. Dieter Weber aus Oy-Mittelberg das Grab des Kemptener Architekten auf dem Wiener Heldenfriedhof entdeckt und die letzten Lebenstage rekonstruiert. Er fand sogar den Abschiedsbrief des Künstlers.
"Ákos gab vor seiner Abreise nach Wien eine Art Abschiedsfest für seine Mitarbeiter. Diesen erschien das Verhalten ihres Chefs wie ein Lebewohl für immer, obwohl das Ákos-Büro noch zahlreiche offene Baustellen zu betreuen hatte", fand Weber heraus. Der Sohn von Ákos Schwägerin Edith Hilbrand, Dr. Christian Adler, erinnert sich: "Andor Ákos hat sich, bevor er nach Wien abreiste, von meiner Mutter sehr liebenswert, in einer ihr aber recht merkwürdig vorkommenden Weise verabschiedet".
Seit kurzem sind auch erste Dokumente aus Wiener Archiven und aus dem Ákos-Nachlass in Kanada zugänglich. So gibt es einen polizeilichen Meldezettel des Hotels "Kaiserpark", der von ihm für sich und seine Frau Gertrud ausgefüllt wurde. Dass der Selbstmord keine spontane oder gar panische Reaktion war, untermauert Weber mit Dokumenten aus dem Ákos-Nachlass.
Einen Tag vor seiner Ankunft in Wien schrieb Ákos am 28. Juni einen handschriftlichen Brief an seinen Freund Richard Vogl, in dem er seinen Freitod ankündigte: "Er (er)nannte mich zu seinem Testamentsvollstrecker und bat mich seinen Nachlass zu regeln. Es sollte seine Beförderung zum Hauptmann erfolgen. Bei diesem Anlass stellte sich heraus, dass bei der Kommandantur in Wien noch die Grundblätter vorhanden waren, in welchen er seinerzeit als Kadett nichtarischer Abstammung geführt wurde".
Wann und von wem Ákos über seine Angelegenheit in Kenntnis gesetzt wurde, ist inzwischen ebenfalls ziemlich gut durch die Nachlasspapiere nachvollziehbar.

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Dazu urteilt Weber: "Es ist ganz und gar nicht auszuschließen, dass die Militärbeamten von der Wehrevidenzstelle Wien ihrem einstigen Kameraden, dem tapferen, hoch dekorierten Offizier der ehemaligen Kaiserjäger sogar Möglichkeiten zur Flucht vor der Verfolgung durch die Nazi-Justiz geben wollten." Das hätte allerdings für Ákos bedeutet, zu desertieren. "Doch seine Offiziersehre wollte er sich auch nicht durch die ehrlose, verbrecherische Politik und Ideologie des NS-Staates nehmen lassen. Mit seiner Tat bot er dem Unrecht die Stirn - im wahrsten Sinne des Wortes. Nur so erhält sein Freitod eine nachvollziehbare Erklärung", meint Weber.
Doch warum fuhr er zur überhaupt nach Wien? "Vermutlich weil er als Kaiserjäger in der alten K. und K. Metropole Wien sterben wollte", vermutet Weber. In der Stunde seines Todes schrieb er an seine gerade vom Hotel "Kaiserpark" abgereiste Gattin: "Trudl! Ich schreibe noch diese Zeilen, damit Du siehst, dass meine Hand nicht zittert. Ich will mich Deiner Größe wert erweisen und als Kaiserjäger sterben, der tausendfach dem Tode lächelnd ins Auge sah. Hätte ich die Entwicklung geahnt, würde ich für Dich ein Andor geworden sein, der den "Heldentod" stirbt. Dieser jetzt ist anders, aber etwas Heldentum gehört doch auch dazu."
Bestattet wurde Ákos mit allen militärischen Ehren am 5. Juli 1940 auf dem "Neuen Kriegerfriedhof", heute Anlage "Soldatenfriedhof 1939 bis 1945" im militärischen Teil des Wiener Zentralfriedhofes.