Zeitklänge Das Zürcher Amar Quartett zelebriert Werke von Hindemith und Zinsstag">

Artikel: Freche Expeditionen

2. Dezember 2008 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung

Zeitklänge Das Zürcher Amar Quartett zelebriert Werke von Hindemith und Zinsstag

Von Rainer Schmid |KemptenWeihnachten naht. Mit kleinen Teigschabern aus der Weihnachtsbäckerei - dennoch tiefernst und hochkonzentriert - bearbeitet beim "Zeitklänge"-Konzert im Fürstensaal das Zürcher Amar Quartett rhythmisch die abgedämpften Saiten.

Raffiniert der Programmablauf: zuerst ein paar Erläuterungen zu Paul Hindemiths Quartett Nr. 7 aus dem Jahr 1945 anhand der Partitur-Projektion, dann der makellos gespielte Vortrag durch das Amar Quartett vor laufender Projektion. Darauf die avantgardistischen "Cinq fragments" (1. Streichquartett) des Zürcher Komponisten Gérard Zinsstag von 1983. Nach der Pause nochmals das Hindemith-Werk (jetzt klingt es anders!) und schließlich, ein versöhnlicher Ausklang, Haydns Quartett - "Sehr schön!", seufzt ein Zuhörer stellvertretend für viele auf.

Schwierige Taktwechsel

Das Amar Quartett (Anna Brunner, Igor Keller, Hannes Bärtschi und Péter Somodari) hat sich speziell der Musik Hindemiths verschrieben. Scheinbar mühelos gleiten die Bögen "scherzando" über die schwierigen Taktwechsel hinweg: 6/8, 9/8, 5/8, 2/2-Takte folgen da aufeinander. Und im "Canon, fast, gay" sind quirlige Zweiunddreißigstel für jede Stimme eingestreut.

"Ob wir in Zürich, in London oder in Kempten spielen, unser Probenaufwand steht bei solchen Avantgarde-Stücken im umgekehrten Verhältnis zur Besucherzahl", so Bratschist Bärtschi in der Pause.

Rhythmisches Sägen

Er meint damit die soeben vollführten Geräusch-Kunststücke am Streichgerät, die Zinsstag in seiner Partitur genauestens vorschreibt: düster reibende Tonrepetitionen, rhythmisches Sägen und Schaben der flachhändig gedämpften Saiten, knallende Pizzicati und hüpfende Spicati, fast und dann völlig lautloses "Spiel" - aber nicht irgendwie, sondern zu viert exakt im oft synkopierten Rhythmus!

Kein Wunder, dass sich Anna Brunner und Igor Keller an der ersten und zweiten Geige nach dem gemeinsamen Schlussakkord glücklich anstrahlen. Auch im Publikum ist erleichterte Heiterkeit spürbar, nach solch frechen Expeditionen in unheimliche Rand- und Sumpfgebiete der Musik. Hindemith und Haydn klingen danach vertrauter, melodischer. Und die verschmitzt-ironisch servierte Zugabe fährt weiter auf diesem Gleis: ein "Mix aus Bach und Django Reinhardt" namens "Fuge Nr.

1". Mit Zupf-Cello und Zigeuner-Glissando. Bravo!