VON INGO BUCHELT |NesselwangBeeindruckt von den extrem schwierigen Wirtschaftsbedingungen im Gebirgswald zeigten sich die Teilnehmer einer Abendwaldbegehung in Nesselwang. Die Forstbetriebsgemeinschaft (FBG) Füssen hatte ihre Mitglieder in den Wald des Rechtlerverbands Nesselwang eingeladen. Rund 60 Waldbesitzer, Forstleute, Rechtler und Jäger aus dem südlichen Ostallgäu erhielten vor Ort Anschauungsunterricht über die erste Durchforstung eines fünfzigjährigen Fichtenbestands im 35 Grad steilen Gelände mithilfe einer Seilanlage.
Die jährlichen Waldbegehungen dienen der Information und dem Erfahrungsaustausch der Mitglieder, erläuterte FBG-Geschäftsführer Dieter Stosik. Alfons Köberle, Vorsitzender des Rechtlerverbands Nesselwang, beklagte starke Verbissschäden und den erhöhten Freizeitdruck auf das Wild durch Alpspitzbahn, Wanderer und Mountainbiker. In einer Höhenlage von 1150 bis 1350 Meter an der Südwestseite der Alpspitze werden 500 Festmeter Holz auf sechs Hektar geschlagen und mithilfe einer Seilanlage auf den befestigten Rückeweg gezogen, wo sie mit einem sogenannten Vollernter ("Harvester") zu Stamm-, Papier- und Brennholz verarbeitet werden. Mit dem Rückefahrzeug wird das Holz zu dem für Lkw befahrbaren Weg gebracht.
Förster Franz Nöß vom Amt für Landwirtschaft und Forsten, der die FBG berät und die Begehung leitete, wies auf zunehmende Schäden durch Verbiss, Rotfäule, Gipfelbruch und Schneedruck hin. Da es sich um Schutzwald handelt, erhalten die Waldbesitzer staatliche Zuschüsse. Aus forstlicher Sicht sei es notwendig, langfristig die Monokultur Fichte in einen Mischwald umzubauen, so Nöß. Der Umbau diene nicht nur der Stabilisierung des Waldes, sondern auch der Bodenverbesserung und sei auf lange Sicht wirtschaftlicher. Allerdings sei der durchforstete Wald dafür noch zu jung und es gebe Probleme mit der Wilddichte.
Auch Freizeitaktivitäten sind schuld an den Verbissschäden
Kontrovers erörterten die Teilnehmer die Ursachen des Wildverbisses. Karl-Heinz Heel, Jäger aus Schwangau, wandte sich dagegen, dem Wild die Alleinschuld zuzuweisen. Es gehöre in die Wälder und sei das schwächste Glied in der Kette. Nächtliche Hangbeleuchtung und ausufernde Freizeitaktivitäten durch Mountainbiker oder Skitourenläufer ließen das Wild nicht zur Ruhe kommen. Für Jagdpächter Walter Geiger aus Nesselwang hält sich die Beunruhigung des Wildes durch Freizeitsportler an der Südwestseite der Alpspitze in Grenzen. Vor allem Sammler der abgeworfenen Hirschgeweihe ("Stangensammler") vertrieben das Wild.

Alpspitze bei Nesselwang
Wanderer entdeckt an Kabelbinder aufgehängte Krähe - das steckt dahinter
"Wenn es zu viel Wild gibt, ist was falsch gemacht worden", meinte Ludwig Schmid, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Jagdgenossenschaften im Landkreis Ostallgäu, und wies auf mögliche Fehler in der Fütterung oder Bejagung hin. "Wir haben Einblick in eine extreme forstliche Situation erhalten. Allein der Abstieg durch das Steilgelände macht deutlich, unter welch schwierigen Bedingungen früher gearbeitet wurde", zog Christa Rodenkirchen, Vorsitzende der FBG, ein Fazit der mit viel Beifall aufgenommenen Veranstaltung.