Lindenberg | hip | Benediktinerpater Anselm Grün pflegt mit seinen Vorträgen große Säle zu füllen - so auch in Lindenberg. Erwartungsvolle Gesichter im ausverkauften Löwensaal. Die Menschen suchen Antworten - suchen sie in der Spiritualität, die Pater Anselm verkörpert. Die Person macht ebenso neugierig wie das Thema: "Verwandle Deine Angst." Der Mönch mit dem schlohweißen Haupt- und Barthaar zeigt Wege auf, die sich unter dem Begriff Gottvertrauen zusammenfassen lassen.
Heinz-Werner Nottberg, Vorsitzender der Volkshochschule Lindenberg, stellt in seiner Begrüßung den Doktor der Theologie vor, der Cellerar (wirtschaftlicher Leiter) der Benediktinerabtei Münsterschwarzach ist und mit 300 Büchern in einer Gesamtauflage von über 15 Millionen der wohl meistgelesene christliche Autor unserer Zeit.
Ein Mann, der bei seinem Auftritt Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt. Der leicht verständlich formuliert und mit sparsamen Gesten das Gesagte unterstreicht. Kein mitreißender Rhetoriker, kein Eiferer. Einer, der sich eines vielschichtigen Themas angenommen hat und es von verschiedenen Seiten beleuchtet.
Anselm Grün lässt Geschichten aus der Bibel einfließen, bezieht die Psychologie ein, die eigenen Erfahrungen mit Menschen, die er begleitet hat. Da ist die berufstätige Mutter, die Angst hat, zu wenig Zeit für ihr Kind zu haben, da der Geschäftsmann mit der Furcht, zu versagen. Es gibt die Angst vor Verletzungen, vor Krankheit und Tod, vor Verlassenheit und Abschied.
"Jeder hat Angst", sagt der Pater. Aber je mehr man sie unterdrücke, desto stärker werde sie. Es gehe darum, sie anzunehmen, sich mit ihr anzufreunden und sie zu verwandeln. Sich von ihr zu Gott führen lassen. Und "dem trauen, was grade kommt". Oft helfe die Bestätigung: "Gott ist da, ein Engel ist da.", erklärt Grün.
Und Angst werfe auch immer Fragen an die eigene Person auf: "Verlasse ich mich selbst?" oder "Woher definiere ich mich? Über das Urteil der Menschen oder das Gottes?"
Der Pater empfiehlt, mit der Angst zu reden, "damit sie konkret wird". Häufig seien es "die maßlosen Ansprüche an sich selber", die falschen Grundannahmen, die Ängste auslösen. Ist wirklich Perfektion gefragt, um in seinem persönlichen oder beruflichen Umfeld angenommen zu werden? Oder billigen einem die anderen auch mal einen Fehler zu? Sich verabschieden vom Perfektionsideal, lautet sein Rat. "Angst lähmt", sagt Anselm Grün weiter. Er greift Bibelstellen heraus, wie die Heilung des Gelähmten. Überträgt sie. Sieht Jesus als Angsttherapeuten, der sich auf die Konfrontationsmethode versteht: "Steh auf, nimm Dein Bett und geh!"
Grün nennt positive Aspekte der Angst: "Ohne Angst kein Maß." Ein Satz, der zum Nachdenken anregt - umso mehr, als wir heute aus Sicht der Psychologen in einer "Angstverdrängungsgesellschaft" leben.
In der Diskussion tauchen Fragen auf. Auch die nach Erbsünde, Fegefeuer und Hölle. Dinge, mit denen einem früher Angst gemacht wurde. Das Fegefeuer sei kein Ort, wo man Strafen abbüßt, sondern ein Ort der Reinigung, interpretiert Anselm Grün und erklärt weiter: "Wer sich Gottes Liebe entzieht, schließt sich selber aus. Gott stürzt niemanden in die Hölle."
Am Ende des Abends steht ein Ritual. Die Menschen kreuzen die Arme über der Brust, suchen die Stille in sich, den inneren Kern, wo sie unangreifbar, unverletzbar sind. Dann spricht der Pater ein altes Abendgebet: "Herr, kehre ein in dieses Haus". Und nochmals erhebt sich anhaltender Beifall.