Kleinhirten Gleich sechs Kinder und Jugendliche verbringen Sommermonate auf einer Alpe am Fellhorn">

Artikel: "Den Fernseher vermisst hier oben niemand"

23. August 2008 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung

Kleinhirten Gleich sechs Kinder und Jugendliche verbringen Sommermonate auf einer Alpe am Fellhorn

Von Anna Feßler |OberstdorfViel eingepackt hatte Daniela nicht, als sie sich im Frühsommer auf den Weg machte zur Alpe Obere Birenwang. "Alles was ich mitgenommen habe, passt in einen Rucksack", sagt die 19-Jährige. Ein paar Kleidungsstücke, Schuhe, ein Buch und ihren MP3-Player. Den ganzen Sommer verbringt die junge Frau auf der Alpe am Fellhorn bei Oberstdorf. Und sie ist nicht die Einzige.

Insgesamt sechs Kinder und Jugendliche wohnen während ihrer Sommerferien bei den Älplern Christine und Hubert Bietsch. "Bei uns ist immer etwas los", lacht Mutter Christine. Neben Daniela und ihren drei eigenen Kindern, genießen auch noch die 14-jährigen Zwillinge Agnes und Ludwig sechs Wochen lang die frische Bergluft.

Kinder, die den Sommer auf einer Alpe verbringen und dort ein bisschen mithelfen, nennt man auch Kleinhirten. Laut dem Alpwirtschaftlichen Verein Allgäu verbringen jährlich über 100 Kinder die Sommermonate in höheren Lagen.

Morgens nach dem Frühstück, wenn auf den Bergwiesen noch der Morgentau liegt, geht es für Johannes (9) und Vinzenz (11), zwei von drei Söhnen der Bietschs, und Ludwig los. "Wir laufen die Zäune ab und schauen, ob alles in Ordnung ist und es dem Vieh gut geht", erklärt Vinzenz. Er ist gerne draußen, in den Bergen und bei den Tieren. Den Sommer im Tal zu verbringen, das kann er sich eigentlich gar nicht mehr vorstellen: "Vor allem gefällt mir, dass hier oben kein Lärm ist."

Brotzeit für die Wanderer

Während die Buben draußen die Zäune ablaufen, werkeln Agnes und Daniela meistens mit Mutter Christine in der Küche der Alpe. Sie bereiten für die hungrigen Wanderer Brotzeiten vor und backen Kuchen. Auch Daniela kennt das Leben auf der Alpe von Kindesbeinen an.

"Ich bin selbst auf einer Alphütte bei Hindelang aufgewachsen", erzählt die junge Frau. Der zweite Sommer in den Bergen ist es für die 14-jährige Agnes, genau wie für ihren Bruder Ludwig. Die beiden waren schon immer gerne in den Bergen unterwegs. "Wir machen oft Touren mit unserem Vater", erzählt Agnes. Der Jüngste auf der Alpe Obere Birenwang ist der vierjährige Pirmin. Auf über 1700 Metern sitzt er bei Sonnenschein oft im Sandkasten direkt vor der Alpe. Ist die Arbeit erledigt, sind die sechs meistens draußen unterwegs. Das Gelände rund um die Alpe ist für sie wie ein Abenteuerspielplatz. Sie gehen wandern, baden, Beeren sammeln und vieles mehr. Und erst neulich haben die drei Buben direkt hinter der Alpe an einem kleinen Bach einen Staudamm gebaut.

Doch es gibt auch andere Tage. Dann peitscht der kalte Regen an die Fensterscheiben der Alphütte und grau-weiße Nebelschwaden hängen zwischen den Bergen. Ein Wetter bei dem man lieber im Tal wäre? Vinzenz schüttelt entschieden den Kopf. "Wir haben ja einen Regenkittel", meint er dann. Und auch Ludwig zuckt bei der Frage nur mit den Schultern: "Ändern kann man es ja sowieso nicht."

Außerdem kommt auch bei schlechtem Wetter bei den Sechs so schnell keine Langeweile auf. "Wir spielen oft etwas zusammen", erzählt Johannes. Ab und zu werden auch die Instrumente ausgepackt und gemeinsam musiziert. Auch Mutter Christine genießt es, wenn abends alle zusammen sitzen und sich unterhalten. Einen Fernseher gibt es auf der Alphütte nicht. "Doch den vermisst auch niemand", ist sich Christine Bietsch sicher.