von frank eberhard |MemmingenRund 300 Menschen stehen am Schweizerberg, dort, wo vor 70 Jahren die Memminger Synagoge zerstört wurde und heute ein Gedenkstein an sie erinnert. Im Licht der Fackeln, mit denen sie zuvor schweigend durch die Stadt gezogen sind, verfolgen sie die Gedenkreden. Dann singen sie: "Wir sind die Moorsoldaten und ziehen mit dem Spaten ins Moor, ins Moor." Es ist das Lied der so genannten Moorsoldaten, das Häftlinge eines Konzentrationslagers 1933 geschaffen haben.
"Es war die Nacht, in der die Synagogen brannten und systematisch zerstört wurden", sagt der Bundespräses der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB), Albin Krämer, in seiner Ansprache. "Es war die Nacht, in der jüdische Friedhöfe geschändet wurden", fährt er fort. Der Bundespräses aus Köln bezeichnet die Stunden vom 9. auf den 10. November 1938 als "eine Nacht, in der es dunkel wurde in Deutschland, in der der Hass die Oberhand gewann".
Die Gedenkstunde "gegen das Vergessen" wird von einem Aktionsbündnis aus Deutsch-Israelischer Gesellschaft, Deutschem Gewerkschaftsbund und KAB ausgerichtet. Schirmherr ist Oberbürgermeister Dr. Ivo Holzinger. Dieser betont, dass damals viele Deutsche einfach weggesehen hätten. Zudem dankt er allen, die sich an "der eindrucksvollen Demonstration" gegen eine NPD-Veranstaltung im September beteiligt hatten (wir berichteten).
"Der staatlich verordnete Pogrom leitete die offene Verfolgung der Juden in Deutschland und wenig später in Europa ein", sagt Krämer im Hinblick auf den Holocaust, dem bis Kriegsende 1945 etwa sechs Millionen Juden zum Opfer fielen.
Er führt jedoch auch Beispiele von Menschen an, die mit jüdischen Bürgern solidarisch waren: "Einer davon war König Christian von Dänemark." Als damals der Befehl von den Nazis kam, dass alle dänischen Juden eine gelbe Armbinde mit dem Davidstern tragen müssen, hat der Monarch dem deutschen Befehlshaber geantwortet, dass alle dänischen Bürger gleich seien. Daher werde er selbst den Judenstern anstecken, wozu er auch alle anderen Dänen aufrief.
Als am nächsten Morgen der König sowie fast alle Menschen auf Kopenhagens Straßen die gelbe Armbinde mit dem Davidstern trugen, sahen sich die Nazis gezwungen, die Anordnung aufzuheben, erläutert Krämer.
In Memmingen alles verloren
KAB-Sekretär Kai Kaiser berichtet den Zuhörern, von denen einige israelische Flaggen in der Hand halten, dass die Synagoge am Schweizerberg innerhalb von nur sechs Stunden in eine Ruine verwandelt wurde. "Dreieinhalb Jahre nach dieser schrecklichen Nacht, in der die meisten Juden ihr Hab und Gut verloren, war schließlich kein einziger jüdischer Mitbürger mehr in Memmingen", sagt Kaiser weiter.
Letztlich wird mit der Niederlegung von Kränzen am Gedenkstein des ehemaligen jüdischen Gotteshauses den 168 Juden gedacht, die damals in Memmingen alles verloren.