Füssen: Ein Wanderklassiker mit Fertigbau-Hütte

11. September 2010 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung
beckmann

Gipfel-Geschichte(n) - Die Große Schlicke ist Aussichts- und Hüttenberg am Nordrand der Tannheimer Alpen

Sonnige Spätsommertage sind wie geschaffen für eine zünftige Bergwanderung. Ein heißer Tipp ist die Große Schlicke (2058 m) am Nordrand der Tannheimer Alpen. Der Aufstieg führt über einen breiten Südrücken und ist derzeit schneefrei, wie Wolfgang Wagner, Wirt der Füssener Hütte, unserer Zeitung versichert hat. Vom Wanderparkplatz an der Bärenfalle bei Musau führt ein markierter Weg zum Gipfel. Er erfordert Kondition und im steilen felsdurchsetzten Gipfelaufbau Trittsicherheit und Vorsicht. Wer es bequemer angehen will, fährt von Grän mit der Bergbahn zum Füssener Jöchl und macht sich dort auf zum Gipfelsturm. Beide Wege stoßen etwa hundert Höhenmeter unter dem Gipfelkreuz zusammen.

Oben angekommen belohnt den Bergfreund ein traumhafter Rundblick: Nach Süden schaut er in die wilden Nordwände der Tannheimer Kletterberge, nach Norden weit in das Ostallgäuer Voralpenland und nach Osten in die Ammergauer Alpen und zum Wettersteinmassiv mit der Zugspitze. Den Bergnamen leitete Namensforscher August Kübler 1909 vom althochdeutschen "slickan" ab, was "schlucken" bedeutet. Auch das Wort "Schlucht" hängt mit "schlucken" zusammen. Ursprünglich dürfte sich der Name nur auf die enge kaminartige Stelle bezogen haben, die man passieren muss, wenn man den Berg von der Vilser Alpe besteigt. In einer alten Kartenskizze von 1580 wurde der Berg noch mit "Blatt Joch" beschriftet. Heute steht Plattjoch (1895 m) für eine Erhebung östlich der Großen Schlicke.

Jäger und Hirten dürften die Ersten gewesen sein, die den Berg bestiegen haben. Die bergbegeisterte Königin Marie von Bayern stattete ihm 1849 einen Besuch ab. 1905 durchstiegen die Pfrontener Brüder Heinrich und Robert Haff als Erste die abweisende und gefährliche Nordwand der Großen Schlicke - eine kaum wiederholte Tour und ein kühnes Unterfangen.

Kletterpioniere mit Hanfseilen

Denn die Kletterpioniere waren nur mit Hanfseilen und "Dachdeckerschuhen" aus Segeltuch und geflochtenen Hanfsohlen ausgerüstet, wie Toni Freudig, Bergführer aus Pfronten recherchiert hat. Heinrich Haff übernahm später von seinem Vater die heute noch existierende, feinmechanische Fabrik in Pfronten und wurde zum Kommerzienrat ernannt. Sein Bruder Robert wurde Chirurg in München. Bereits 1894 legte die Alpenvereinssektion Füssen einen Weg von der Musauer Alm zum Karetschrofen und zur Schlicke an.

Als es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Sitte wurde, Gipfelkreuze aufzustellen, veranlasste 1882 der Pächter der Sennalpe Kiechle, dass ein Bergkreuz auf die Schlicke kam. Sechs junge Burschen aus Vils trugen es herauf. 1964 wurde ein neues Kreuz aufgestellt und eingeweiht. Wieder waren es junge Burschen aus Vils, die das schwere Kreuz hinauf schleppten. Noch heute kümmert sich die Bergwacht aus Vils um das stählerne Gipfelkreuz.

Im wildromantischen Reintal kommen Bergwanderer auch ohne Gipfelerfolg oder mit Kindern auf ihre Kosten. Außer der Musauer Alm stehen im Reintal drei weitere Hütten zur Auswahl, die dicht beieinanderliegen: Die Füssener Hütte wurde 1857 als Sennalpe errichtet und 1936 zum Ausbildungsstützpunkt der Gebirgsjäger umgebaut. Seit Kriegsende ist sie für Wanderer offen.

Die nahe gelegene Otto-Mayr-Hütte der Alpenvereinssektion Augsburg war die erste "Fertigbau-Hütte" der Alpen: 1898 wurde sie auf einer Münchner Ausstellung als "Musterhaus für Bergsteiger" präsentiert. Justizrat Dr. Otto Mayr, Vorstand der Sektion Augsburg, war begeistert. Die Sektion erwarb das Holzhaus, ließ es zerlegen und mit der Bahn nach Füssen befördern. In mühsamer Arbeit wurden die Einzelteile zum Standort transportiert und zusammengebaut. Ärger gabs nachträglich mit dem Zoll. Die K. und K. Finanzbehörde verlangte eine saftige Abgabe, fast so viel, wie das ganze Haus gekostet hatte. Die Willi-Merkl-Hütte ist eine Selbstversorgerhütte der Sektion Friedberg.