Mit dem "Jedermann" von Hugo von Hofmannsthal gastiert auf Einladung der Kulturgemeinschaft Oberallgäu "Das Ensemble" in Immenstadt. Mitgründerin des Tournee-Unternehmens ist die bekannte Schauspielerin Ellen Schwiers (78), die in dem Stück die Rolle der Mutter übernommen und Regie geführt hat. Ihr jüngerer Bruder Holger Schwiers spielt den "Jedermann", ihre Tochter Katerina Jacob ist als Co-Regisseurin verpflichtet. "Das reicht dann auch an Familie", lacht Schwiers, die sich vor der Aufführung für ein Gespräch mit Veronika Krull vom Zeit nahm.
Wer den "Jedermann" inszeniert, muss sich großen Vorbildern - etwa bei den Salzburger Festspielen - stellen. Was hat Sie dennoch bewogen, das Stück auf die Bühne zu bringen?
Ellen Schwiers: Ich habe das Stück ja selber gespielt, zwei Jahre hintereinander. Das war damals eine revolutionäre Inszenierung durch Gottfried Reinhardt, dem Sohn von Max Reinhardt, der das Stück 1911 in Berlin uraufgeführt hat. Die Arbeit von Gottfried Reinhardt hat auf mich einen Rieseneindruck gemacht, den Salzburgern war das übrigens viel zu modern. Für mich war die Regiearbeit jetzt wahnsinnig reizvoll. Ich will deutlich machen, dass Gott eben der ist, der verzeiht, wenn man wirklich echte Reue zeigt. Was aber kein Freibrief ist für Mord- und Totschlag.
Sie sagen, dass Sie das Thema nicht in einer "modernistischen Form" darstellen, sondern als "Schau-Spiel". Was heißt das?
Schwiers: Schau-Spiel: Das heißt, etwas schauen, auf sich einwirken lassen. Ich will, dass die Leute staunen - über die Kostüme, über das Geschehen auf der Bühne. Das Thema drängt sich von selber auf. Es ist ja ein leicht zu verstehendes Stück, ein naives Märchen für Erwachsene, das mehr über die Intuition als über den Intellekt geht. Was für Kostüme? Ich will die Figuren so kleiden, dass man weiß, nicht die Zeit spielt eine Rolle, sondern die Rolle selber ist wichtig.
So trägt der Jedermann einen modern wirkenden Mantel, der Tod ist bei mir natürlich schwarz gewandet, aber ohne Maske, sondern als Tod geschminkt: Das Gesicht soll lebendig bleiben. Der Teufel ist ein Teufel, so wie sich der kleine Moritz den Teufel vorstellt. Wir versuchen eben, den Figuren ein Aussehen zu geben, das dieser Figur gerecht wird. Daran wirken wir alle mit: die Bühnenbildnerin, der Hauptdarsteller, meine Tochter und ich als Regisseurin - wir sind ein Team.
Sie haben selber vor mehr als 40 Jahren die Buhlschaft in Salzburg gespielt. Wie gestalten Sie heute diese Rolle, was hat sich geändert?
Schwiers: Sie ist sehr viel mehr jetzt Buhl geworden. Ich habe sie damals eins zu eins gespielt. Ich denke, dass die Buhlschaft naiver zu nehmen ist, sie ist ein sinnliches Frauenzimmer: schön, ausdrucksstark, lebensfroh, kurz der Inbegriff eines Vollweibs. Allerdings nicht im Vollzug: Das finde ich nicht im Text, vielleicht eine Umarmung, ein Kuss, aber nicht den Akt.
Der Text im "Jedermann" ist recht komplex und nicht ganz einfach. Wie kann man diese Sprache in heutiger Zeit dem Publikum nahe bringen?
Schwiers: Das ist ganz interessant. Wenn man es liest, ist es entsetzlich. Wenn man es spielt und spricht, wird es ganz eindringlich, sofern man voll dahinter steht. Das Publikum wird sich einhören: Das ist wie ein Märchen, man muss sich darauf einlassen. Dann wirkt die Sprache nicht mehr wie eine Fremdsprache, die wir teilweise gelernt haben, wie man Chinesisch lernt.
Das Thema vom "Jedermann" ist ja so zeitlos, dass es eigentlich in jede Epoche passt?
Schwiers: Ja. Jetzt, wo wir das erleben mit der Geldkrise, das ist phantastisch! Da gibt es eine Textstelle: Meine Güte, das ist die Rechtfertigung von Herrn Ackermann. "Da ist kein Ding zu hoch noch fest, das sich mit Geld nicht kaufen lässt!" Das ist so was von heutig! Als ich das wieder gelesen habe, habe ich gedacht: Menschenskind, das muss man aufführen. Damit die Leute wissen, das ist ein ewiges Problem: Manager, die mit dem Geld davonziehen, da schwindelts einen. Und auf der anderen Seite die Leute, die arm sind. Dass denen nicht das Herz weh tut, wenn sie so viel Geld haben. Die können es doch nicht mit ins Grab nehmen!
Vorstellungstermin: "Jedermann" wird am Montag, 26. Januar, um 20 Uhr im Hofgarten zu Immenstadt aufgeführt. Karten gibt es im Vorverkauf im Gästeamt Immenstadt, Telefon 08323/914-176, oder ab 19 Uhr an der Abendkasse.